Im Bereich Telemedizin hat Oberfranken mit dem Projekt „Gesellschaft 4.1. Digitales Land / Digitale Kommune“ eine Vorreiterrolle in Bayern und Deutschland übernommen. Wie entwickelt sich das Projekt?
Insgesamt nehmen derzeit 32 Mediziner, 10 Pflegeheime, 1 ambulanter Pflegedienste in den Landkreisen Kronach, Wunsiedel und Bayreuth aktiv am Projekt „Gesundheitsversorgung 4.1“ im Bereich „Gesellschaft 4.1: Digitales Land – Digitale Kommune“ teil. Eine Klinik wird in den nächsten Wochen angeschlossen. Weitere Pflegedienste, Ärzte und Krankenhäuser sollen in den kommenden Monaten noch folgen. Mit dieser großen Anzahl in ganz Oberfranken sind wir bundesdeutscher Vorreiter und gelten in vielen Regionen als Vorbild und Best Pratice Beispiel wie mit Hilfe von telemedizinischen Anwendungen die ärztliche Versorgung, vor allem für Patienten in der Pflege verbessert werden kann.
Außerdem versprechen sich die beteiligten Ärzte, Pflegeeinrichtungen und Kliniken sich von dem Projekt „Gesundheitsversorgung 4.1“ zahlreiche Erleichterungen im Praxisalltag.
Die Vorsitzende von Oberfranken Offensiv e.V. Staatsministerin Melanie Huml MdL mit Jens Korn, Erster Bürgermeister der Stadt Wallenfels und dem Wunsiedeler Landrat Dr. Karl Döhler bei der Live-Vorführung des Projektes „Gesundheitsversorgung 4.0“ im Caritas Alten- und Pflegeheim St. Elisabeth Wallenfels (2019)
Mit einer Online-Sprechstunde samt Videosprechstunde lässt sich der organisatorische Aufwand für Patienten, für das betreuende Pflegepersonal und auch für Ärzte enorm reduzieren. Denn bei vielen Behandlungsanlässen und bestehender Arzt-Patienten-Konstellation ist die Online-Sprechstunde genauso effektiv wie der Praxisbesuch. So sparen alle Beteiligten Zeit und am Ende haben Ärzte und Pfleger insgesamt mehr Ressourcen für die Betreuung der Patienten. Oberfranken ist Vorreiter und zeigt, dass moderne Kommunikationstechnologien eine entscheidende Rolle bei der Sicherstellung einer weiterhin wohnortnahen, medizinisch hochwertigen Versorgung unserer Bewohner der Zukunft spielen. Denn in Verbindung mit dem traditionellen Arztkontakt hat die digitale Sprechstunde die Chance die gesundheitliche Versorgung grundlegend zu ändern. So sind Ärzte, Pfleger und Patienten physisch nicht mehr an Ort und Zeit gebunden und man könne die Online-Sprechstunde flexibler handhaben als persönliche Termine im Pflegeheim oder der Praxis.
Wie funktioniert diese Videosprechstunde
bei Gesundheitsversorgung 4.0 bzw. 4.1?
Der persönliche und unmittelbare Kontakt zwischen Arzt und Patienten ist und bleibt auch in Zukunft unverzichtbar. Dank der Online-Sprechstunde müssen jedoch Hausarzt und Patient im Pflegeheim künftig aber nicht mehr in jedem Fall persönlich zur ärztlichen Besprechung vor Ort sein.
Im Rahmen des innovativen und bundesweit einmaligen Projektes „Gesundheitsversorgung 4.1“ kann der Pfleger in der neuen digitalen Anwendung eine Nachricht über den Gesundheitszustand erstellen und verschlüsselt an den betreuenden Hausarzt übermitteln. Dieser empfängt die Meldung in seiner Praxis am Rechner oder per Pushmeldung auch mobil. Das Lesen der Meldung wird dann dem Pfleger und Patienten signalisiert.
„Der persönliche und unmittelbare Kontakt zwischen Arzt und Patienten ist und bleibt auch in Zukunft unverzichtbar. Dank der Onlinesprechstunde müssen Hausarzt und Patient im Pflegeheim künftig aber nicht mehr in jedem Fall persönlich zur ärztlichen Besprechung vor Ort sein. Onlinesprechstunden sind ergänzende Leistungen, wenn behandelnde Ärzte und Patienten zustimmen.“
Melanie Huml MdL
des. 1. stv. Vorsitzende von Oberfranken Offensiv e.V.
Bayerische Staatsministerin für Europaangelegenheiten und Internationales
Um die Dringlichkeit der Meldung für den Arzt zu kennzeichnen, gibt die Pflegekraft im Rahmen eines ampelähnlichen Farbsystems diese bereits an. Dabei reicht die Skala von einer nicht dringenden Meldung in „weiß“ bis hin zur „rot“ gekennzeichneten Nachricht. Durch diese Farbkennzeichnung kann der Hausarzt die Meldungen priorisieren und entsprechend in seinen Praxisablauf integrieren. Eine rote Meldung bedeutet beispielsweise, dass der Arzt zeitnah, möglichst am gleichen Tag, Kontakt mit dem Patienten aufnimmt, während die niedrigste Stufe ein bis zwei Tage Zeit hätte.
Gleichzeitig kann der Arzt online jederzeit in einem gesicherten Netz Daten des Patienten erhalten bzw. einsehen. Nach Auswertung dieser Daten und mit den eigenen vorhandenen Patientenakten in der Praxis hat der Arzt nun mehrere Möglichkeiten:
Screenshots der Destkopanwendung und der mobilen Variante
Er kann in der neuen Anwendung eine eigene Meldung als Rückantwort an den Patienten und die Pflegekraft zurücksenden, die weitere Anweisungen oder Nachfragen enthält. Eventuell entscheidet sich der Arzt seinen Patienten einen Hausbesuch abzustatten und dann seine weitere Behandlung anzupassen.
Sollte ein Hausbesuch nicht unbedingt notwendig sein, aber doch ein persönliches Gespräch vom Patienten oder Arzt, kann dies dann per Videosprechstunde bewerkstelligt werden. Durch die Möglichkeit des visuellen und akustischen Kontaktes mit den Patienten und dem Pflegepersonal per Videosprechstunde können die behandelnden Ärzte dann Verlaufskontrollen und Behandlungen durchführen. Dabei kann über die neue digitale Anwendung auch der Termin vereinbart werden.
Die flächendeckende medizinische Versorgung auf dem Land ist eine der großen Herausforderungen: Kann die Digitalisierung ein Aspekt sein, um im ländlich geprägten Oberfranken die medizinische Versorgung auch künftig auf hohem Niveau zu gewährleisten?
Die Gesundheitsversorgung 4.1 im Projekt „Gesellschaft 4.0/4.1: Digitales Land – Digitale Kommune“ bietet für viele weitere telemedizinische Projekte sowie digitale Lösungen in ganz Oberfranken Anknüpfungspunkte. Oberfranken Offensiv installiert die digitale Lösung bei weiteren Pflegeeinrichtungen, Hausärzten und Fachärzte und wird so auch Vorreiter in der breiten User-Anwendung. Neben den Landkreisen Wunsiedel, Bayreuth und Kronach, gibt es auch in den Landkreisen Kulmbach, Coburg und Hof bereits Anfragen von weiteren potentiellen Projektpartnern, die die neue digitale Lösung nutzen möchten. Ziel ist es auch, weitere Kliniken in das System einzubinden und am Ende sogar einzelne Patienten und Ärzte, die nicht aus dem Bereich der Pflege kommen. Zudem sollen Ärzte und Fachärzte sich auch in Telekonsilen über den Patienten austauschen können.
Gleichzeitig soll die vorhandene digitale Lösung mit anderen bereits vorhandenen und gerade in der Entwicklung befindlichen Telemedizin-Projekten in Oberfranken – soweit möglich – vernetzt werden. Dazu gehören beispielsweise das E-Nurse Projekt in Hof, oder auch das Projekt DigiDorf im Frankenwald sowie eine Anknüpfung an derzeit in der Entwicklung befindlichen Systeme im Bereich von AAL (Ambient Assisted Living), also technischen Hilfssystemen für Senioren geplant. Aber auch eine Verknüpfung zu Projekten außerhalb Oberfrankens – wie das Projekt DigiOrt im Bayerischen Wald – ist denkbar.
Zudem wird in den Modellregionen versucht, einen „GREEN BUS“ für Senioren mit gleichzeitigem Lieferservice von Apotheken und Lebensmittel zunächst im gesamten Fichtelgebirge zu realisieren, wobei durch digitale Anwendungen die Nutzer einfacher Buchungen, zum Beispiel auch für Arzttransporte, vornehmen können und gleichzeitig eine optimierte ökologische wie ökonomische Routenplanung berechnet werden kann. So wird ausgehend von der telemedizinischen Anwendung Oberfranken zu einer Smart Rural Area.